06.03.2024
Südkurier: Europatag am HGWT
Zehntklässler stellen kritische Fragen
Waldshut-Tiengen: Abgeordnete besuchen die zwei Gymnasien der Stadt, Rita Schwarzelühr-Sutter zu Gast am Hochrhein-Gymnasium, Schüler zeigen sich an vielen Themen interessiert
Waldshut-Tiengen – Politik ganz praktisch erlebt haben am Montag die zehnten Klasse der beiden Waldshut-Tiengener Gymnasien. Aus Anlass des Europatags besuchte der Grünen-Landtagsabgeordnete Niklas Nüssle das Klettgau-Gymnasium in Tiengen, die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter war am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut zu Gast.
Niklas Nüssle, ein ehemaliger Schüler des Klettgau-Gymnasiums in Tiengen, gab den Schülern einen Einblick in die EU: Die Europäische Union ist ein Zusammenschluss von 27 Ländern und 447 Millionen Einwohnern. Das gemeinsame Motto laute: „In Vielfalt geeint“. „Hier leben Menschen zusammen, die ihre Grundwerte teilen und sich auch selbst dran halten“, stellte Nüssle fest. Dazu gehörten Rechte wie Pressefreiheit, Parlamentswahlen und Parteienvielfalt. Um ihre Prinzipien umzusetzen, so erklärte Nüssle weiter, gebe es verschiedene Institutionen, wie etwa das Europaparlament mit seinen 705 Abgeordneten.
Dann waren die Schüler dran: In ihren Fragen ging es um E-Mobilität, Klimaschutz, erneuerbare Energien, um das geplante Schweizer Atomendlager nahe der deutschen Grenze bei Hohentengen, um die aktuelle Klimapolitik, den Alltag eines Politikers, die Politik der Grünen und um ein Verbot von Feuerwerkskörpern. Auf die Frage, welche Themen ihm besonders am Herzen liegen, zählt Niklas Nüssle auf: der Verkehrs- und Umweltbereich, die Wasserstoffnutzung zur Energiegewinnung, die Zusammenarbeit mit der Schweiz, der Lehrer- und Ärztemangel, die Mobilität, die Europapolitik mit ihren Quertreibern, die Gleichberechtigung der Frauen, die Cannabis-Legalisierung und die Bürgerbeteiligung bei der Europapolitik.
Er erwähnte auch die Störungen und Anfeindungen bei Kundgebungen und Versammlungen, „die zu den Grundrechten unserer Demokratie gehören“ und, dass die Grünen mittlerweile zu brav geworden seien. Zur ständigen Kritik am öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und den mangelnden Angeboten im ländlichen Raum sagt er: „Ich sehe es als Verschwendung von Ressourcen an, wenn leere Busse durch die Gegend fahren.“
An Rita Schwarzelühr-Sutter, ehemalige Schülerin des HGWT, haben die Schüler des Hochrhein-Gymnasiums in Waldshut zahlreiche Fragen gestellt. Besonders interessiert zeigten sich die Schüler dabei an der Asylpolitik, vor allem am Aspekt des Vergleichs der Regelungen für Flüchtlinge aus der Ukraine und aus dem Nahen Osten. Das gemeinsame Asylsystem Europas, des seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine vor zwei Jahren im Fokus steht, war deshalb einer der zentralen Themenschwerpunkte.
Ebenso wurden kritische Fragen behandelt. So fragte ein Schüler nach den Bildungsmöglichkeiten der Ukrainer im Vergleich zu den 2016/2017 eingereisten Syrern, die in Deutschland augenscheinlich weniger Möglichkeiten besaßen. Die Schüler erfuhren, dass es zwar Unterschiede wegen der Regelungen gibt, diese jedoch keinen Nachteil für deutsche Studienanfänger bedeuten. An der nationalen Politik waren die Schüler auch interessiert. Anträge der Opposition, Bürgergeld und erneuerbare Energien warfen Fragen auf, die Rita Schwarzelühr-Sutter ausführlich und mit praktischen Beispielen beantwortete. So berichtete sie auf die Frage eines Schülers nach der Ablehnung der Atomenergie von ihren persönlichen Erlebnissen in Fukushima.
Der Rechtsruck im Land und die AfD beschäftigten die Schüler außerdem. „Was hält die SPD für die Lösung gegen den Rechtsruck?“ oder „Inwiefern steht sich die aktuelle Politik selbst im Weg?“ waren Fragen. Die Schüler haben sich im Vorfeld informiert, zitierten Posts der AfD von „X“ (ehemals „Twitter“) und bezogen sich auch auf die Medienpräsenz der AfD in anderen sozialen Netzwerken.
Auch wurde die SPD-Abgeordnete gefragt, warum bei den Bauernprotesten nicht mehr Initiative ergriffen wird. „Man überlässt der AfD den Platz“, dies war ein Vorwurf, auf den Scharzelühr-Sutter reagieren musste. Auch hier beantwortete sie die Fragen und Sorgen der Schüler mit Empathie und Verständnis. Die Antworten wurden überwiegend positiv aufgenommen, nur selten gab es Rückfragen. Auch in der Pause kamen Schüler zu Schwarzelühr-Sutter und fragten weiter.
Auch das Politik- und das Rechtssystem in Deutschland an sich wurden von den Schülern in Waldshut hinterfragt. „Wie kann es sein, dass solche Aussagen (wie von Marcel Grauf, Anmerkung der Redaktion) in einem Rechtsstaat ohne große Konsequenzen getroffen werden können?“ Dabei bezog sich der fragende Schüler auf die geheimen Treffen in Potsdam und den Wunsch nach Remigration von Einwanderern vonseiten der AfD und anderer Politiker. Die letzte Frage stellte eine Schülerin, die sich bis dahin noch zurückgehalten hatte: „Wie sind Sie zur SPD gekommen, wenn Ihnen die Umwelt so sehr am Herzen liegt?“ Darauf antwortete Schwarzelühr-Sutter: Jeder sollte sich für die Umwelt einsetzen. Sie wollte sich aber auch dafür einsetzen, dass es sich jeder leisten kann.
Text: Manfred Dinort und Maike Dikas, erschienen am 06.03.2024 im SÜDKURIER