07.06.2025

Scheffelpreis-Lesung: “Die schönste Version”

Lehrbuch einer toxischen Beziehung

Ruth-Maria Thomas liest im Hochrhein-Gymnasium in Waldshut aus ihrem Romandebüt „Die schönste Version“ vor

Ruth-Maria Thomas (l.) und Moderatorin Julia Böttcher (r.) im Dialog | Bild: Matthias Sochor, HGWT

Sternenhimmel, weicher Wind, feiner Regen, dunkler Wald, der Mond silberfarben. Romantisch erscheinen diese Versatzstücke einer geschilderten Landschaft, die Ort ist für eine leidenschaftliche Begegnung zweier Liebender - und doch sehr trügerisch, “todesschön”. So enthält bereits der Beginn des Textes “Die schönste Version” Zeichen, die brutale Gewalterfahrung und das Scheitern der Beziehung andeutend vorwegnehmen.  

Die 1993 geborene Autorin Ruth-Maria Thomas war im Rahmen der diesjährigen Scheffelpreis-Lesung zu Gast am Hochrhein-Gymnasium und präsentierte Ausschnitte aus ihrem 2024 erschienenen Romandebüt: Jella, die Protagonistin des Textes, Studentin, Anfang 20, wohnt mit ihrem Freund Yannick zusammen in dessen Wohnung in einer Kleinstadt mitten in der ostdeutschen Provinz. Doch das Verhältnis des vermeintlichen Traumpaares bekommt schnell Risse. Jella wird zum Objekt männlichen Besitzdenkens, erfährt Gewalt - zunächst still, dann verbal, körperlich, sexuell. Geschönte Erinnerungen, falsche Weisheiten und irreführende Regeln sollten anfangs noch darüber hinwegtäuschen.  

Gebannt und berührt hörten die literaturinteressierten 35 Gäste im Musiksaal des Hochrhein-Gymnasiums der Autorin zu, die in spielerischer Ernsthaftigkeit lesend ihren Roman lebendig werden ließ. Zwischen den Textausschnitten war Ruth-Maria Thomas im Gespräch mit der Deutschlehrerin Julia Böttcher, welche als Moderatorin der Veranstaltung durch eigene Überlegungen sowie Fragen zum Text der Autorin Gelegenheit gab, über das Selbstverständnis als Schriftstellerin nachzudenken und Prägungen zu reflektieren, die zur Entstehung des Romans beigetragen haben können. Ruth-Maria Thomas bezeichnete ihren Text als “Lehrbuch einer toxischen Beziehung”. Es sei eine gesellschaftliche Aufgabe, patriarchalisches Besitzdenken zu brechen. Privates müsse öffentlich gemacht werden, damit Diskussionen über Frauenrechte, also Menschenrechte geführt werden können.  

Der Text leistet seinen Beitrag dazu nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern erzählt in Rückblenden und Reflexionen die schleichende Entwicklung in einen Zustand seelischer Dunkelheit. Dies geschieht mitunter auch heiter-absurd. Eine Botschaft war der Autorin, gerichtet an das Publikum, besonders wichtig: “Schmerz ist Verarsche. Liebe muss nicht weh tun.” 

Text: Matthias Sochor, HGWT

Ruth-Maria Thomas stellt ihren Roman „Die schönste Version“ vor.  | Bild: Matthias Sochor, HGWT

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