25.03.2022

Südkurier: Dieser Lehrer ist Mathemacher

Viktor Gerlach erhält Auszeichnung für sein Engagement im Fach Mathematik

Waldshut-Tiengen: Eine Auszeichnung der besonderen Art - die deutsche Mathematiker-Vereinigung hat dem Mathelehrer des Hochrhein-Gymnasiums die Auszeichnung Mathemacher für Januar und Februar 2022 verliehen.

Viktor Gerlach ist Mathelehrer am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und wurde als Mathemacher ausgezeichnet. | Bild: Simon Wöhrle

Mathematik gilt bei vielen Menschen unter den Schulfächern nicht gerade als Favorit. Anders sieht das bei Viktor Gerlach und seinen Schülern am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut-Tiengen aus. Bereits seit 2015 nimmt der Mathelehrer mit seinen Klassen am Wettbewerb Mathe im Advent teil. Über die Jahre stieg die Zahl der Schüler, die dabei sein wollen, immer weiter an – etwa die Hälfte der Schüler am Hochrhein-Gymnasium nahmen zuletzt am Wettbewerb teil. „Das ist eine enorme Zahl, wenn man sich überlegt, dass es eine freiwillige Sache ist“, sagt Gerlach.

Der Wettbewerb
Mathe im Advent ist ein bundesweiter Wettbewerb, der vom Verein Mathe im Leben ausgerichtet wird. Für die teilnehmenden Klassen gibt es vom 1. Dezember bis zum 24. Dezember täglich je eine Aufgabe zu lösen. Laut Website nehmen jährlich über 100.000 Schüler teil.

Auf den Wettbewerb sei er bereits während dem Referendariat am Hochrhein-Gymnasium gestoßen, seitdem organisiert Gerlach jedes Jahr die Teilnahme. „Da ist eine Dynamik entstanden, dass sogar Schüler mich darauf ansprechen, ob wir wieder teilnehmen“, sagt Gerlach.

Was ist ein Mathemacher?
Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung, die seit 1890 besteht, zeichnet regelmäßig Menschen als Mathemacher des Monats aus, die sich für die Mathematik einsetzen. Mitglieder der Vereinigung sind etwa Professoren, Lehrer und Berufsmathematiker.
Nach guten Platzierungen des Hochrhein-Gymnasiums im Regierungsbezirk Freiburg sei die Vorsitzende des Vereins Mathe im Leben, der den Wettbewerb organisiert, auf Gerlach aufmerksam geworden. „So kam der Kontakt zu Stande und auch die Nominierung zum Mathemacher“, so Gerlach.

Schüler fordern die Teilnahme selbst ein
Zur Teilnahme am Wettbewerb müsse Gerlach seine Schüler nicht motivieren: „Die Kombination aus spannenden und interessanten Aufgaben motiviert viele Schüler“, sagt er. Ein weiterer Vorteil: Mathe im Advent ist ein Gruppenwettbewerb. „Es geht darum, dass die Schüler ins Gespräch kommen über die Aufgaben, dass sie diskutieren und gemeinsam auf Lösungen kommen“, so Gerlach.
Einen weiteren Anreiz zur Anstrengung liefert der Mathelehrer allerdings doch: „Ich organisiere eine kleine Siegerehrung für die Schüler, die 24 richtige Lösungen haben.“ Neben Gerlach nehmen auch weitere Lehrer mit ihren Klassen am Wettbewerb teil.

Mathe-Unterricht: Kein stupides Lösen von Formeln
Auf die Frage, was seinen Matheunterricht besonders macht, kann Gerlach nicht direkt antworten: „Da müsste man die Schüler fragen.“ Aber er könne feststellen, dass der Unterricht in dem Fach sich gewandelt habe, seit er selbst sein Abitur im Jahr 2006 abgelegt hat. „Früher musste man Gleichungen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden lösen, davon ist man inzwischen weggekommen“, so Gerlach. Inzwischen sei Matheunterricht anwendungsbezogen gestaltet.
„Das Fach Mathematik sollte dazu dienen, komplexe Aufgaben durch logisches Denken zu lösen“, sagt Gerlach. Dadurch sei es für einige Schüler sicher attraktiver geworden. Wichtiger sei aber die Beziehung zur Klasse und den einzelnen Schülern. Es gehe nicht nur um das rein fachliche, sondern „sie als individuelle Persönlichkeiten zu sehen und entwickeln, jedem Schüler helfen, dass er weiterkommt.“
An hoffnungslose Fälle glaubt Gerlach nicht, jeder Schüler könne Mathe verstehen. „Ich freue mich, wenn ich jemandem, der nicht überzeugt vom Fach Mathematik ist, zeigen kann, dass er es kann“, so der Mathelehrer. „Viele haben da ein sehr kritisches Selbstbild, weil Mathe ein schwieriges Fach ist, was einiges abverlangt.“

Wie viel Mathe braucht man im Alltag denn wirklich?
„Ich glaube, dass Mathe mehr ist, als im Volksmund wahrgenommen wird“, beginnt Viktor Gerlach seine Ausführung. Tatsächlich sei es wahr, dass für viele Berufe Fähigkeiten wie Funktionen abzuleiten, Gleichungen lösen und Strahlensätze anzuwenden nicht relevant seien.
Allerdings: „Schlüsse ziehen, komplexe Sachverhalte einordnen, diese Fähigkeiten lernt man implizit im Mathe-Unterricht.“ Im Alltag könnten diese Fähigkeiten dann auf verschiedene Arten zum Vorschein kommen, etwa bei Kalkulationen für Reiseplanungen. „Das sind Sachen, die man gar nicht richtig als Mathe empfindet“, sagt Gerlach.

Verlernen wir durch Taschenrechner Mathematik?
In einer Zeit, in der Radio, Notizblock, Kamera und auch ein Taschenrechner noch nicht in einem Gerät vereint in der Hosentasche Platz gefunden haben, konnte man von Mathelehrern häufig den Satz „Später habt ihr auch nicht immer einen Taschenrechner dabei“ hören. Im Kopf rechnen zu können war wichtig.
Heute allerdings hat eben doch jeder einen Taschenrechner zu jedem Zeitpunkt greifbar. Und auch leistungsfähige Rechenmaschinen gehören zum Unterricht dazu. Verlernen wir dadurch, Aufgaben im Kopf zu lösen?
Vor Jahren spaltete eine vermeintlich einfache Gleichung das Internet. 9 – 3 / 1/3 + 1 lautete die Aufgabe. Allerdings gab es zwei vermeintlich richtige Antworten, über die sich Online-Nutzer stritten.

Die richtige Lösung
Für Mathelehrer Viktor Gerlach war die korrekte Lösung natürlich kein Problem: Es gilt Punkt vor Strich, beim Teilen durch einen Bruch wird mit dem Kehrwert multipliziert. Es bleibt 9 – 9 + 1. Die korrekte Lösung lautet also 1.
Die vermutliche Ursache dafür: Wer die Gleichung Schritt für Schritt in den Taschenrechner eingibt, und dabei den Bruch nicht direkt als solchen darstellen kann, bekommt 9 als Ergebnis geliefert – und liegt damit trotz Taschenrechner falsch.
Ob man nun durch den Einsatz von Taschenrechnern Mathe verlernt? „Der Taschenrechner ist in manchen Situationen eine Hilfe, aber es ist auch wichtig, dass man in der Lage ist, das Ganze auch ohne zu lösen“, sagt Gerlach. In der Schule bekommen die Schüler daher zwar bereits in der fünften Klasse einen Taschenrechner, zum Einsatz würde er aber eher gegen Ende der siebten Klasse kommen.

Text: Simon Wöhrle, erschienen am 25.04.2022 im SÜDKURIER

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